Abgrenzung Geschäftsreise und Berufskraftfahrt
Legt ein Versicherungsvertreter die Strecke zurück, um einen in einer anderen Stadt wohnenden Kunden aufzusuchen, oder ist der LKW-Fahrer auf Transportfahrt, handelt es sich um sogenannte Betriebswege, die bereits als Arbeitsleistung versichert sind. Versicherungsschutz gewährt hier bereits § 8 Abs. 1 SGB VII zum Stichwort Arbeitsunfall. Ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII ist von daher gesehen nur ein Arbeitsunfall im weiteren Sinne. Der Unterschied zwischen Betriebswegeunfall und Unfall auf dem Weg zur Arbeit kann sich im Ergebnis durchaus bemerkbar machen, etwa was die weiter unten zu behandelnde Lösung des Zusammenhangs des Weges zur Arbeit oder von der Arbeit nach hause anbetrifft. Eine solche Lösung kann auf einem Betriebsweg während dessen Zurücklegung nicht eintreten. Der Restbetriebsweg bleibt auch nach längerer Pause oder Unterbrechung versichert.
Gemischte Wege bzw. gemischte Tätigkeiten
Fall: Ein Versicherungsvertreter fährt in eine Stadt, um dort einen Geschäftsabschluß zu tätigen und seine Freundin zu besuchen.
Daß der Geschäftsreisende hier das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet, steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen. Der Fall wäre allerdings bereits als Betriebswegeunfall entschädigungspflichtig. Das Beispiel soll zeigen, daß nach der sogenannten Kausalitätsnorm wesentliche Mitursächlichkeiten beruflicher Art als ausreichend angesehen werden. Private Momente schließen den Versicherungsschutz deshalb nicht aus.
Beginn des Weges
Der versicherte Weg beginnt mit dem Durchschreiten der Außenhaustür. Versicherungsschutz dürfte aber auch in folgendem Fall bestehen:
Fall: Sie haben den Schlüssel vergessen und verlassen das Wohnhaus durch ein Fenster. Dabei stürzen Sie ab.
Ende des Weges
Grundsätzlich ist beim Erreichen des Wohnhauses der versicherte Weg beendet. Nach der Rechtsprechung gibt es Ausnahmen hiervon.
Fall: Ein Kind verunglückt auf dem Heimweg vom Kindergarten, wobei es bereits an der Wohnung vorbei ist.
Lösung, Unterbrechung
Fall: Wer vor Erreichen der Wohnung bereits zur Freizeitgestaltung übergeht und mehrere Stunden in einer Kneipe verbringt, die am Wege liegt, verliert den Versicherungsschutz für den anschließenden Restheimweg.
Wie lange die Zeitspanne ist, die zu einer Lösung führt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Unterbrechung bis zu 2 Stunden soll den Versicherungsschutz nicht lösen nach der Rechtsprechung. Ein kürzerer Wirtshausbesuch für ein bis zwei Stunden soll für sich allein nicht zur Lösung führen.
Anvertrauen von Kindern in fremde Obhut
Versichert ist auch das Zurücklegen des abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer oder ihrer Ehegatten beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen.
Die Fahrgemeinschaft
Im Zuge der Ölkrise erweiterte der Gesetzgeber seinerzeit den Versicherungsschutz auf den Wegen zur Arbeit um die sogenannte Fahrgemeinschaft. Hier bleibt der Unfallversicherungsschutz auch auf Umwegen erhalten, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam ein Fahrzeug auf dem Weg zur Arbeit benutzen, wenn also mitfahrende Personen unterwegs aufgenommen oder abgesetzt werden.
Versicherungsschutz für Kinder, die fremder Obhut anvertraut werden
Diese Vorschrift erweitert den Versicherungsschutz von Kindern auf einem Abweg von dem unmittelbaren Weg zur versicherten Tätigkeit, z.B. Kindergartenbesuch, wenn das Kind wegen der beruflichen Tätigkeit der Eltern in fremde Obhut gegeben werden muß. Die Regelung ist insbesondere für den Bereich der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand von Bedeutung.
Die Familienheimfahrt
Fall: Nach Zurücklegung von 3.000 km verunglückt der in Deutschland beschäftigte türkische Gastarbeiter auf dem Weg in den Jahresurlaub, den er bei seiner Familie im Heimatland verbringen wollte.
Unter Versicherungsschutz stehen auch die Wege von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn der Arbeitnehmer wegen der Entfernung seiner Familienwohnung von dem Ort oder Berufstätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat. Dieser Grundsatz gilt auch umgekehrt für den deutschen Ingenieur, der von seinem deutschen Arbeitgeber nach Südamerika entsandt ist und im Jahresurlaub Frau und Kinder zuhause in Deutschland besuchen will.
Vorsicht: Wenngleich der türkische Familienvater Frau und Kinder im Heimatland und damit die Familienwohnung dort beibehalten hat, kann ein Unfallsachbearbeiter argwöhnen, daß er den Lebensmittelpunkt in Deutschland hätte, weil er dort angeblich mit einer Freundin zusammen leben würde.
In diesem Zusammenhang ist sogar doppelte Vorsicht geboten.
Also noch einmal Vorsicht: Dringt der Unfallsachbearbeiter mit diesem Einwand nicht durch, könnte er auf den Gedanken kommen, bei der Zurücklegung von 3.000 km ohne genügende Pausen würde es sich um eine sogenannte „selbstgeschaffene Gefahr“ handeln.
Haben Sie dann glücklicherweise dem Unfallsachbearbeiter diese beiden wohl unbeachtlichen Einwände ausgeredet, dürfte dem Versicherungsschutz nichts mehr im Wege stehen. Weder berufsgenossenschaftlich noch gerichtlich sollte man die hier wohl im Argen liegende Unfallverhütung durch Leistungsausschluß ausgleichen. Verbotswidriges Verhalten schließt wie gesagt den Versicherungsschutz nicht aus.
Sonderfall der versicherten Tätigkeit: Das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung
Das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt, gehört ebenfalls zu den versicherten Tätigkeiten.
© Fotograf: Carschten / Wikimedia Commons |